Personas und Neuro-Employer Branding
Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir gerade im Beruf oft zunächst auf Grundlage von Gefühlen entscheiden und die Entscheidung hinterher rational rechtfertigen. Lesen Sie hier, was das für das Recruiting bedeutet und welche Rolle Candidate Personas dabei spielen (sollten).
Menschen sind Bauchentscheider. Das ist bei vielen Entscheidungen so, vor allem bei der Partnerwahl: Wer schwer verliebt ist, den oder die interessiert es nicht, ob der/die Auserwählte wenig Geld hat, am Ende der Welt wohnt oder vielleicht optisch gar nicht so attraktiv ist – die Schmetterlinge im Bauch entscheiden.
Genau so ist es bei der Wahl der Arbeitsstelle: Hatten Sie auch schon einmal das Gefühl, die Stellenbeschreibung beschreibt Sie ganz genau, das Gehalt ist gut, die Benefits sind attraktiv und trotzdem fehlte das „Gewisse Etwas“, um die Bewerbung abzuschicken? Und dann konnten sie vielleicht nicht einmal genau verorten ob es am Ton lag, an der Bildsprache oder an etwas anderem, aber „irgendwie passte es nicht“? Oder eben andersherum: Dass es so gut „passte“, dass ein etwas kleineres Gehalt kein Drama war?
Auch Marketer machen sich unsere Neigung zu Bauchentscheidungen gern zunutze und verleiten uns mit emotionalen Bildern, Musikunterlegung und sogar Gerüchen zu Käufen, die wir wahrscheinlich „bei klarem Verstand“ nicht so einfach tätigen würden. Dazu kombinieren sie demografische, psychografische und verhaltensbezogene Daten und stützen sich auch auf das Modell der „Big Five“ – Persönlichkeitsmerkmale.
Was ist Neuro-Recruiting?
Das Personalwesen schaut seit einiger Zeit den Marketern immer öfter auf die Finger und tut gut daran, denn: Die einen bieten Produkte an, die anderen Arbeitsstellen, die einen suchen Käufer:innen, die anderen Kandidat:innen, aber der Prozess ist im Prinzip der Gleiche.
Die letzte Entwicklung nach dieser Logik ist das so genannte „Neurorecruiting“, bei dem neurowissenschaftliche Erkenntnisse und solche aus der Marketingpraxis dabei helfen, das Recruiting personalisierter und damit effektiver zu gestalten. Ein wichtiges Learning aus diesem Ansatz ist der, dass rationale Argumente für eine Firma oder Arbeitsstelle zwar eine feine – und auch nötige – Sache sind, aber bei weitem nicht ausreichen, um die Wunschkandidat:innen anzulocken. Eben weil wir – und das gilt bis hinauf zum CEO und zum Bundeskanzler – hoch emotionale Wesen sind, die bis zu 95% der Entscheidungen unbewusst und emotional gesteuert per „Autopilot“ treffen.
Mit Gefühl zum Erfolg
Geschichten, die uns berühren, bleiben auch hängen. Auch deswegen sind Unternehmen, die gut im Storytelling sind, besonders beliebt und letzten Endes wirtschaftlich erfolgreich (z.B. IKEA).
Beim klassischen Recruiting wird immer noch viel auf Fakten gesetzt: Gehalt, Aufgaben, Urlaubstage, Standort. Dabei punkten gerade die Unternehmen bei ihren Wunschkandidat:innen, die es schaffen, sie auch emotional anzusprechen. Im Idealfall so, dass jemand zuerst sagt: „Ich möchte bei der Firma XY arbeiten“ – und danach erst schaut, ob es dort freie Stellen gibt.
Wie gelingt das? Indem man sich tief in die Wunschkandidat:innen eindenkt und einfühlt. Was bewegt sie, was moviert sie, was macht ihnen Angst, wovon lassen sie sich begeistern? Wofür möchten sie sich einsetzen? Was möchten sie erreichen und auch – ganz egoistisch – für sich gewinnen? Das Big Five Modell und auch die klassischen Sinus-Millieus bieten erste Anhaltspunkte, aus denen man viel herauslesen kann.
Wirklich in die Welt der Wunschkandidat:innen eintauchen und das eigene Employer Branding so gestalten, dass es die emotionalen und kognitiven Bedürfnisse potenzieller Mitarbeiter:innen anspricht und eine starke und authentische Verbindung zu ihnen aufbaut kann nur, wer sie persönlich kennt. Und zwar viele näher kennt, als man eine Person in einem Vorstellungsgespräch kennenlernt und vor allem: weit vorher, damit es überhaupt zum Vorstellungsgespräch kommt.
Wer das schafft, kann:
- die richtigen Storys mit emotional ansprechenden Botschaften erzählen, um das Unternehmensimage positiv zu prägen
- Vertrauen schaffen durch transparente Kommunikation und ein authentisches, konsistentes Bild der Unternehmenskultur
- Design und visuelle Elemente einsetzen, die das Gehirn positiv stimulieren, um die Unternehmenswahrnehmung zu stärken
Personas zum Einfühlen
So sehr man auf Gefühl setzen sollte, um Kandidat:innen anzulocken, so wenig darf man sich beim eigenen Vorgehen vom Bauchgefühl leiten lassen. Hier gilt ganz rational: Daten statt raten!
Datenbasierte Candidate Personas erzeugen Gefühl, aber auf Basis harter Fakten. Das ist das Persona-Erfolgsrezept. Candidate Personas sind fiktive, aber mögliche Personen, die die idealen Kandidat:innen sehr genau abbilden. Über Demographie und Anforderungsprofil hinaus enthalten sie Wünsche, Ängste, Ziele, Interessen, Herausforderungen, Pain Points, Charaktereigenschaften, Gewohnheiten, Werte, Medienkonsum, Kaufverhalten, Familienverhältnisse, etc., Foto und Namen – eine fast reale Person, die Sie ab Kennenlernen komplett kennen. Sie können sie dem Team, Führungskräften, der HR-Abteilung und den Partnern von z.B. Kreativagenturen, damit sich alle in sie hineinfühlen können. Und auf Grund dessen die richtigen „Gefühlsknöpfe“ beim Recruiting anschalten.
Quellen:
Kahnemann, Daniel (2011). Thinking, fast and slow. Farrar, Straus and Giroux.
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