KI und Personas: Pros und Contras
Dass ChatGPT Personas erstellen kann, haben wir bereits ausprobiert. Dass das keine sonderlich gute Idee ist, auch. Dennoch kann uns KI bei der Arbeit mit Personas tatkräftig unterstützen.
Wo KI uns helfen kann…
KI ist in einigen Dingen deutlich besser als wir: KI macht keine Flüchtigkeitsfehler, wird nicht müde oder abgelenkt und bekommt kein Kopfweh. Und: KI wird es auch nicht langweilig. Deswegen ist KI geradezu prädestiniert dazu, uns all die Routine-Aufgaben abzunehmen, bei denen hohe Konzentration nötig ist und die gleichzeitig zeitraubend, eintönig und fehleranfällig sind.
Bei der Erstellung von Personas betrifft das besonders die Vorarbeit: große Datenmengen analysieren und sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, ist eine wunderbare KI-Aufgabe. Dazu gehören etwa:
- Kundenrezensionen
- CRM-Daten (Soziodemografie, Benutzerverhalten, Kontakte, Kaufaktivitäten, Analytics), Webanalytics
- Social Analytics
- Support-Daten
- ERP-Daten (Transaktionsdaten, …)
- Suchmaschinendaten
- Sentimentanalysen, und so weiter.
Je nach Daten-Input und -qualität kann man mit Hilfe von KI-Technologien aus solchen Daten Kunden- oder Bewerbersegmente erstellen. Dazu setzen KI-Tools meist Schlüsseltechnologien wie Deep-Learning und/oder neuronale Netze ein: lernende Systeme, die Muster und Trends in großen Datenmengen erkennen.
Weitere Methoden sind Predictive Analytics: Vorhersagemodelle basierend auf historischen Daten; Analyse von Kundenfeedback und Clustering-Algorithmen, die basierend auf Ähnlichkeiten im Kaufverhalten oder anderen Merkmalen Kundensegmente bilden. Basierend auf diesen Kundensegmenten (oder Bewerbersegmenten) lassen sich dann datenbasierte Personas bilden, die uns wichtige Informationen über unsere Kunden oder Wunschkandidaten liefern, zum Beispiel:
- Mediennutzungsverhalten (Werbetouchpoints und Kundenansprache)
- Preissensibilität/Gehaltswunsch
- Kaufverhalten (und dessen Vorhersage)
- Gestaltung des Kaufprozesses (oder Bewerbungsprozesses, …)
- Wie geht Targeting mit möglichst geringem Streuverlust?
- Welche Hürden gibt es beim Kauf des Produkts, um das es geht? Oder bei der Bewerbung um Stellen?
- Was ist der entscheidende Gedanke oder die entscheidende Situation, die zum Kauf/zur Bewerbung angeregt hat? Oder zum Abbruch?
- Welchen Weg ist der Käufer/die Käuferin oder der Bewerber/ die Bewerberin gegangen, um zum Produkt/zur Bewerbung zu kommen?
- Welche Kriterien sind dabei wichtig gewesen?
Allerdings funktioniert das nur, wenn wir die KI mit eigenen oder erhobenen (und eingekauften) Daten füttern – und dem Wissen darüber, wie gut die Qualität dieser ist. Es kursieren überall im Netz Prompts zur Erstellung von „datenbasierten“ Personas über ChatGPT. Wenn ChatGPT aber nicht auf unsere eigenen Daten zugreift, entstehen dabei Personas, die mit der Wirklichkeit nur sehr wenig zu tun haben und mit Allgemeinplätzen gespickt sind.
Bei der Persona-Erstellung geht also auch mit der Hilfe von KI nichts ohne die tatsächliche Befragung von Menschen – entweder in Eigenleistung oder per Nutzung von repräsentativen Umfragen, Beauftragung von Markt/Meinungsinstituten oder ähnlichem.
…und wo nicht
KI braucht echte Daten zum Analysieren und Einordnen, um daraufhin Personas zu erstellen. Beim Surfen im Netz, Online-Shopping und mit unseren Kommentaren auf Social Media lassen wir Unmengen solcher Daten zurück, bewusst und unbewusst. Aber wir leben immer noch offline, in einer Realität voller Freunde, Nachbarn, Kollegen, Familienmitglieder, Cafés, Marktplätzen, Arbeitsplätzen, Frisörsalons und stationärem Einzelhandel. An all diesen Orten findet mit all diesen Menschen das „echte Leben“ statt, mit Klatsch, Tratsch, „Wusstest du schon…“, „Ich habe neulich ein XX entdeckt/gekauft/ausprobiert…“ und so weiter.
Läuft die Customer Journey nicht oder nur teilweise über das Internet, entstehen in KI-Personas oft Lücken. Wer sich offline bei anderen Menschen informiert, dessen Customer Journey kommt in vielen KI-Personas schlicht nicht vor, weil dazu keinerlei Daten vorliegen.
Noch schwieriger ist es bei B2B-Geschäften: Diese laufen sehr oft ohne Zuhilfenahme von Suchmaschinen und Webshops ab, sondern über Buyer Center mit direktem Kontakt zum Lieferanten. Noch dazu sind im Buyer Center meist mehrere Personen beteiligt.
Das sind Szenarien, in denen KI nicht wirklich helfen kann. Aber es gibt auch Situationen, in denen KI nicht nur nicht hilft, sondern sogar schadet:
KI-Modelle lernen in der Regel anhand von Trainings- und Testdaten. Diese Datensets sind aber nie neutral, sondern immer beeinflusst von der gesellschaftlichen Realität und den gesellschaftlichen Annahmen, Stereotypen und Normen, in denen sie generiert wurden. Im Kern handelt es sich bei KI immer um ein System, das lernt und dessen Leistung von der zugrundeliegenden Entwicklung, der Datenbasis und der fortlaufenden Pflege abhängt.
Ist also in den Trainingsdaten die Wirklichkeit bereits verzerrt, ist es auch das KI-Modell: Wenn die Daten etwa mit rassistischen oder sexistischen Inhalten gespickt sind, würde das Modell auf diese Vorurteile und Diskriminierung zurückgreifen. Mit Bias belastete Personas und darauf basierende Werbung können ganze Kundengruppen verstören, verärgern und langfristig von der Marke distanzieren. Verärgerte Kunden können in den sozialen Medien einen Shitstorm auslösen, der entstehende Imageschaden kann Bewerber abschrecken und dem ganzen Unternehmen nachhaltig schaden.
Damit derartige Szenarien nicht eintreten müssen Personas also zwingend datenbasiert sein, und das am besten so neutral und divers, dass Biases ausgeschlossen werden können.
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