Personas in der Inflation
In Zeiten hoher Inflation müssen Haushalte und Unternehmen gleichermaßen den Gürtel enger schnallen. Was das für die Arbeit mit Personas bedeutet.
Deutsche Marktforschungsinstitute registrieren steigende Nachfrage bei Seminaren und Studien zum Thema Inflation und merken gleichzeitig, dass bei den Unternehmen das Budget für Marktforschung und Marketing im Allgemeinen nicht mehr so locker sitzt wie zuvor. In schlechten Zeiten zu sparen, liegt erst einmal auf der Hand. Bei vermeintlich Verzichtbarem anzufangen, auch.
Aber nicht immer ist die naheliegendste Lösung auch die beste. Denn wenn alle sparen müssen, reicht es nicht, ebenfalls zu sparen. Wer in solchen Zeiten etwas verkaufen möchte, muss entweder ein Produkt haben, auf das niemand, auch in der schlimmsten Inflation verzichten kann, wie z.B. Brot. Oder die Konsumenten durch sehr gutes Marketing an sich erinnern, um noch ein Stück vom kleiner werdenden Kuchen abzubekommen.
Eine breit angelegte Studie der Beratungsfirma Hypothesis Group konnte drei Typen von Menschen identifizieren, die in Zeiten der Inflation unterschiedlich denken, reagieren und kaufen. Diese drei benötigen zwar eventuell dasselbe Produkt, aber man erreicht sie auf unterschiedlich:
- Opportunisten
Diese Menschen werden in der Studie als diszipliniert und optimistisch beschrieben. Trotz der Herausforderungen der Inflation fühlen sie keinen Kontrollverlust. Sie schränken ihre Ausgaben quer durch die Bank ein, sind aber letztlich zuversichtlich, dass sich alles zum Guten wenden wird. Sie versuchen, überall zu sparen und sind daher sehr offen für Schnäppchen. Wer ihnen sein Produkt verkaufen möchte, sollte den Fokus im Marketing darauf legen was für eine tolle Gelegenheit das Produkt gerade zu diesem Zeitpunkt bietet. - Minimizer
Diese Gruppe bemerkt die höheren Preise zwar, wie alle anderen auch, lässt sich davon aber nicht abschrecken. Menschen in dieser Gruppe sind der Meinung, dass sie auf Grund all ihrer Arbeit das Recht haben, sich etwas zu gönnen. Sie sparen am ehesten bei Kleidung und im Supermarkt, nicht aber bei Reisen, Spaß, Restaurants etc. Marketingtechnisch erreicht man sie mit Botschaften über Genuss und Freude, nicht aber mit Weltuntergangsszenarien. - Corporation Blamer
Diese Gruppe ist sehr stark von der Inflation betroffen und muss sich in allen, auch grundlegenden, Lebensbereichen einschränken. Das macht sie wütend, besorgt und verletzlich. Sie nehmen die Inflation persönlich und geben den Unternehmen, die sich ihrer Meinung nach mit Preiserhöhungen bereichern wollen, die Schuld an ihrer Misere. Blamer müssen zwangsläufig überall sparen. Marketing, das auf Genuss und Freude anspielt, könnte von ihnen daher mit Verbitterung aufgenommen werden. Man erreicht sie am ehesten mit Botschaften dazu, wie ein Produkt ihr Leben einfacher macht und welche konkreten Vorteile es ihnen bringt.
Die Inflation ist für die Konsumenten von extremer Bedeutung und wird, mehr als die anderen Krisen der letzten Zeit, zu deutlichen Veränderungen im Verbraucher- und Konsumentenverhalten führen, so Ralf Ganzenmüller, CEO von Ipsos Deutschland.
Um als Firma richtig darauf zu reagieren und somit gut durch die Krise zu kommen, ist es essenziell zu wissen, wie die eigenen Kunden „ticken“ und wie viele verschiedene Inflations-Typen sich im Kundenstamm befinden – oder wo sich eventuell sogar noch unerschlossene Kundengruppen befinden, die mit geschickter Ansprache trotz Inflation überzeugt werden können. Um das zu erreichen, muss das Unternehmen genau wissen, welche Personas ihre Kunden abbilden. Wo ihre Ängste liegen, wo sie sich stark einschränken (müssen) oder wo sie evtl. sogar eine „jetzt erst Recht“-Haltung an den Tag legen.
Wer seine Kundschaft auch in der Inflation mit datenbasierten Personas abbildet, kann sich als Unternehmen von der Konkurrenz abheben durch:
- Weiterhin oder auf Grund der Krisensituation stark nachgefragte Produkte weiterentwickeln oder stärker in den Fokus rücken.
- Weniger Ressourcen in weniger nachgefragte Produkte/Sparten stecken.
- Jeden Inflationstyp unter der eigenen Kundschaft auf dem richtigen Kanal mit der richtigen Botschaft abholen: Frustrierte und besorgte Menschen mit vielen Sorgen brauchen eine andere Ansprache als Menschen, die sich gerade wegen der schlechten Lage „etwas gönnen wollen“ und das auch (noch) können. Targeting heißt hier das Zauberwort.
Beispiel: Unternehmen müssen Menschen mit Existenzsorgen vermitteln, dass sie nicht ihr Feind sind. Mit geschicktem Storytelling zum Thema Spartipps, gut vermarkteten größeren Packungsgrößen oder günstigen und einfachen Rezepten auf der Packung, gewinnt man dabei nicht nur diese Gruppe, sondern kann auch bei Schnäppchenjägern punkten.
Datenbasierte Personas mögen zwar auf den ersten Blick eine Investition sein, vor der viele Firmen angesichts der Inflation zurückschrecken. Sie sind es aber gerade, die mit den Unterschied machen können, ob ein Unternehmen die Inflation gut meistert oder im allgemeinen sorgenvollen Rauschen untergeht.
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